Die Entstehung eines Bogengriffstücks

Ein Beitrag von Philipp Dasbach

Problemstellung

Beim Bogenschießen ist die Wiederholbarkeit des gesamten Schussablaufs
entscheidend für ein gutes Ergebnis. Ich selbst besitze seit einigen Jahren einen olympischen Recurvebogen mit Visier (Zielvorrichtung) und Stabilisationssystem (Gewichte zum Ausbalancieren, für ruhigeres Zielen).

Charakteristisch für diesen Bogentyp sind die geschwungenen bzw. nach
hinten gebogenen Enden des Bogens, woher der englische Begriff “Recurve” stammt. Im Gegensatz zu anderen Schießsportarten, wo beispielsweise über Kimme und Korn geschossen wird, hat das Visier des Recurvebogens nur das Korn. Damit bilden die Körperhaltung und der Haltepunkt des Bogens (Ankerpunkt) den zweiten Bezugspunkt des Recurvebogens, um die Richtung zu definieren in die der Pfeil fliegt. Das heißt, selbst wenn das Korn immer ins Gold (Mitte der Zielscheibe) zeigt, der Bogen jedoch etwas anders in der Hand liegt, als beim Schuss zuvor, wird der Pfeil woanders auftreffen.

Daher passen sich viele Bogenschützen das Griffstück ihres Bogens mit Griffband oder Modelliermasse an, um einen Griff zu basteln, der perfekt und stabil in der eigenen Hand liegt. Da ich mit dem Griffstück meines Bogens nicht zufrieden war, habe ich mich dazu entschlossen mein eigenes Griffstück zu designen, welches durch den 3D-Druck zudem professionell aussieht.

Der Recurve-Bogen

Versuche bekanntes Wissen anzuwenden

Bevor ich den Griff nach meinen Vorstellungen gestaltet habe, wollte ich zunächst das Original-Griffstück meines Bogens kopieren, um von dieser Basis ausgehend die Anpassungen vorzunehmen, die mir sinnvoll erschienen.

Aufgrund meines Maschinenbaustudiums an der Uni Siegen bin ich mit dem Umgang von CAD-Software vertraut und habe mich selbstbewusst an die Konstruktion begeben. Zwei Sachen haben mir jedoch unerwartet viele Probleme bereitet.

Zum Einen habe ich für die Konstruktion der vielen ineinander greifenden Verrundungen des Griffs sehr lange gebraucht. Diese Verrundungen sind mit Softwarelösungen aus dem Maschinenbau sehr schwierig nachzubilden, da man dort in der Regel definierte Geometrien hat. Dies hat mich einige Zeit gekostet, mich aber auch dazu gezwungen neue Funktionen und Möglichkeiten von CAD-Software zu lernen.

Der zweite Punkt, der mich einige Versuche im 3D-Druck gekostet hat, ist
die Messbarkeit der schwer zu definierenden Geometrien. Da das Griffstück nur eine sehr schmale, gerade Kante hat, war es sehr schwierig die Position der Bohrung, Schrägen und Radien zu vermessen. Für die Befestigung des Griffstücks am Bogen ist jedoch wichtig, dass die Geometrie des Griffstücks exakt der Geometrie der dafür vorgesehenen Aufnahme am Bogen entspricht. Da ich viele Maße nur grob schätzen konnte, musste ich mich durch Ausprobieren Schritt für Schritt an die richtige Geometrie herantasten.

Während dieses Ausprobierens habe ich sehr viel durch die Mitarbeiter und Maker im Fab Lab über 3D-Druck lernen können. Sie halfen mir vor allem die idealen Einstellungen des Slicers für mein Bauteil und den richtigen Werkstoff zu finden. Außerdem wird im Fab Lab mit verschiedenen CAD Programmen gearbeitet, die alle ihre Stärken für unterschiedliche Problemstellungen haben.

Prototypenbau

Nach vier Versuchen hatte ich das Original-Griffstück meines Bogens ausreichend gut kopiert und habe mit Versuchen gestartet, die Griffgeometrie an meine Hand anzupassen. Dabei habe ich insgesamt fünf verschiedene Versionen ausprobiert.

Zum Einen habe ich Änderungen vorgenommen, die mir selbst logisch erschienen, um bestimmte Bereiche der Hand zu stabilisieren, damit ein Hin- und Herrutschen der Hand verhindert wird. Zum anderen habe ich dies mit Geometrien der Griffstücke unterschiedlicher Hersteller kombiniert, um so zu meinem individuellen und optimalen Griff zu kommen.

Aktuell habe ich auf meinem Bogen eine Version des Griffstücks montiert, bei der ich einige störende Kanten des Original-Griffs verrundet habe und durch eine Winkeländerung der Auflagefläche das Hin-und Herrutschen minimiere.

Bogen mit montiertem Griffstück auf Halterung

Zufrieden, aber da geht doch sicher noch mehr?!

Mein Ziel, ein besseres Griffstück zu erhalten als das Alte, habe ich auf jeden Fall erreicht. Ob ich schon die Ideallösung gefunden habe, weiß ich nicht, da es noch einige Geometrien gibt, die ich ausprobieren könnte.

In der Zwischenzeit habe ich die aktuellste Version des Griffstücks bei Thingiverse hochgeladen und hoffe darauf, einmal einem Bogenschützen über den Weg zu laufen, der ebenfalls mein Griffstück benutzt. Insgesamt muss ich sagen, dass ich durch den Austausch im Fab Lab Ideen und Tipps bekommen habe, auf die ich alleine nie gekommen wäre.

Griffstück, montiert auf Bogen

Copyright Fotos: Philipp Dasbach

Entstehung eines Tabletop-Spiels

Ein Erfahrungsbericht von Tim Dümpelmann

Als ich im November das erste Mal das Fab Lab betrat, war ich wirklich sehr erstaunt, dass es hier in Siegen so einen tollen Ort gibt. Die Leute waren sehr nett und aufgeschlossen und ich habe mich direkt wohl gefühlt. Liegt wohl auch daran, dass ich schon immer ziemlicher Technik-Nerd war.

Eine Idee ist schnell gefunden

Spezielles Interesse haben die 3D Drucker bei mir erweckt. Nicht nur, weil es spannend war ihnen bei der Arbeit zuzusehen, sondern auch, weil ich mich hobbymäßig etwas mit 3D-Modellierung beschäftige. Im Laufe der nächsten Wochen war ich jeden Freitag beim Open Lab. Dort habe ich viele nette, interessante Leute kennengelernt, die alle an tolle Projekte arbeiteten.

Ich finde Kreativität ist ja schon etwas ansteckend. Darum dauerte es nicht lange und ich hatte mich auch für mein erstes Projekt entschieden:
ich wollte ein Tabletop-Spiel entwickeln, alle Spielfiguren selbst modellieren und mit einem 3D-Drucker herstellen.
Da ich gerade für einen Science-Fiction-Wettbewerb ein tolles Bild (siehe weiter unten) eines “MechMiners” gerendert hatte, nahm ich es direkt als Vorlage für meine erste Figur, den “Rohstoffsammler”.
mechminer-modell
minersmall

Das richtige Fertigungsverfahren

Dann modellierte ich einfach drauf los. Dabei stieß ich aufgrund der kleinen Dimensionen meiner Figuren und der vielen Details in den 3D-Modellen oft an die Grenzen des FDM-Druckverfahrens. Daher überlegte ich mir ein modulares Stecksystem um möglichst effizient und detailreich drucken zu können. Mir wurde angeboten, einen SLA-Drucker zu benutzen, der eine viel höhere Präzision aufweißt, aber der Umgang mit Harzen und anderen Flüssigkeiten ist nicht so mein Ding.

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Bauen, bauen, bauen

Bei den meisten Problemen, sowohl beim Modellieren, als auch bei der Herstellung war immer irgendjemand bereit mir zu helfen. Da der Laser etwas komplizierter zu bedienen war, als die 3D-Drucker war ich auch ganz froh darüber.
Genau: Das Lab verfügt über einen Laser, mit dem man Holz und anderes Material schneiden kann. Dieser war perfekt dazu geeignet, ein schönes modulares Spielbrett herzustellen. Im Moment ist das Spiel noch nicht fertig, hier sieht man also nur einen Prototyp zum Testen der Spielmechaniken.

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Es wird noch einige Zeit vergehen, bis die erste Version angespielt werden kann. Das Balancing wird noch sehr lange dauern, und es müssen noch zahlreiche Spielkarten designed werden.
Die 3D-Modelle habe ich schonmal in ein Github-Projekt gepackt. Stay tuned!

Und drumherum: das Lab

Ich selbst konnte mit meinen Kenntnissen auch einigen Leuten bei Ihren Projekten helfen, und es macht mich schon etwas stolz :). Ich finde, das Zusammenkommen und -arbeiten mit gleichgesinnten Menschen ist das, was das Fab Lab zu so einem tollen Ort macht.
Die fachliche Kompetenz der MitarbeiterInnen ist hoch, und sie machen Ihre Arbeit sehr professionell.
Das Lab bietet allen Menschen Möglichkeiten, Technik auszuprobieren. Und Ich habe dort definitiv einige Menschen gefunden, die ich als Freunde bezeichnen würde.
Mittlerweile besitze ich meinen eigenen 3D Drucker um das Projekt voranzubringen.
Danke nochmal an alle, die beim Aufbauen und Problembeseitigung geholfen haben!

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Meiner Meinung nach ist ein Ort wie das Fab Lab eine Bereicherung für Siegen. Ich verstehe einfach nicht warum soviele Leute daran vorbeilaufen. 😮 Ich freue mich jedenfalls darauf noch mehr Zeit dort zu verbringen.

Bis Dahin: Frohes Schaffen!

Das Fab Lab nun auch mit Tamponspender

Zum internationalen Tag der Menstruationshygiene hat das Autonome Feministische Referat der Universität Siegen Tampons und Binden verschenkt. Diese Aktion nahmen wir spontan zum Anlass, einen eigenen Tamponspender mit einem 3D-Drucker herzustellen.

Gerade in der aktuell neu entbranten Debatte zur Luxussteuer auf Menstruationshygiene-Artikel (siehe unter anderem diese Petition) ist es uns wichtig ein kleines Zeichen zu setzen und die Arbeit unserer feministischen Kommiliton*innen weiterzudenken. Wir haben daher einen Tamponspender des Thingiverse-Users “plasmatree” für unser Lab gedruckt. Dieser Tamponspender basiert auf dem großartigen Konzept zweier in der Szene sehr bekannten Makerinnen Simone Giertz und Laura Kampf.

Schaut euch auch gerne auch einmal das Video der beiden Makerinnen dazu hier an

Wir wünschen allen feministischen Kolleg*innen viel Erfolg im Kampf gegen das Totschweigen von Menstruation und für die Abschaffung der Luxussteuer auf diese Produkte und laden noch einmal explizit auch die menstruierenden Maker*innen ein, sich am freitags zum Open Lab einen eigenen Tamponspender zu drucken.

Ein Raspberry Pi-Gehäuse kommt selten allein

Ein Erfahrungsbericht von Henning Schroeder

Mitte Januar 2019 habe ich Im Laufe eines Projekts mit meinem Raspberry Pi (Wikipedia) 3B+ ein passendes Gehäuse gesucht, welches meinen PI mit einem 3,5 Zoll-TFT-Bildschirm aufnimmt. Da ich im Bereich der Raspberry Pis neu bin dachte ich, dass wenn ich möglichst viel selbst mache, schneller in die Materie einsteige als bei Click and Buy-Produkten von diversen Online-Märkten. Unter diesem Aspekt suchte ich in Siegen nach einem Unternehmen dass 3D-Druck durchführt. Direkt beim ersten Google-Durchlauf, stieß ich auf die Website des Fab Lab. Nach einem kurzen Telefonat mit dem Fab Lab bekam ich die Info, ich solle einfach am folgenden Freitag vorbeikommen. So kam es, dass kurz nachdem ich dass Fab Lab betrat mir direkt äußerst freundlich das gesamte Fab Lab, die MitarbeiterInnen und Geräte gezeigt wurden. Das Konzept des Fab Lab war mir bisher nur aus Artikeln im Web bekannt. Dies schien mir aber für eine Stadt wie Siegen bisher noch weit entfernt. Umso mehr war ich überrascht und begeistert. Alle Anwesenden machten einen sehr netten Eindruck während sie konzentriert, aber stets hilfsbereit im Fab Lab tätig waren.

Das 3D-Modell und der Druck

Also begann ich mit der Hilfe von Fabian mit dem Slice-Programm (Wikipedia) die von mir über Thingiverse zuvor heruntergeladene Datei für den 3D Drucker, Marke „Prusa“ vorzubereiten. Nach dem Slicen exportierten wir den generierten G-Code (Wikipedia) auf eine SD-Karte, steckten diese wiederum in den 3D-Drucker und begann mit der Vorbereitung am Drucker. Diese bestand daraus dass wir die Druckplatte mit einer Alkohollösung von vorherigen Drucküberresten befreiten und dann kurz anpolierten. Danach starteten wir mit wenigen Tastendrücken den Druck. Dieser sollte laut der Anzeige länger als die Öffnungszeit des Fab Lab dauern, woraufhin mir Fabian das Angebot machte, den Druck nach Beendigung in ein Regal zu legen, aus dem ich es jederzeit abholen könne. Nach ein paar weiteren Frage-Antwort Situationen die ich brauchte um die Komplexität des Community/Open-Source Modells im Fab Lab zu verstehen, verließ ich das Fab Lab.
Druck des Raspberry Pi-Gehäuses

Fehler führen zu neuen Ideen

Natürlich nur, um drei Tage später voller Aufregung Abends das Fab Lab wieder aufzusuchen.
Ich versuchte direkt nachdem ich das Gehäuse aus dem genannten Regal geholt hatte, den PI samt Bildschirm in das Gehäuse einzusetzen. Dabei riss leider die oberste Schicht des Bildschirms. Wahrscheinlich kann man das auf die Umgebungstemperatur zu diesem Zeitpunkt zurückführen die bei 0°C wahrscheinlich nicht gerade gut für einen Bildschirm ist. Fehler in einem Projekt und Frustration führen zu neuen Ideen (zumindest bei mir).

Ein Projekt kommt selten allein

So kam es, dass ich mir ein neues Gehäuse-Projekt suchte. Dieses begann ich etwas kleiner und einfacher als das Bildschirm-Gehäuse. Erneut auf Thingiverse. Erneut Ideen aufgesaugt. Mit einer Software Namens Blender (Wikipedia) erstellte ich über viele Stunden grauenhafter Verzweiflung ein „sparsames“ Bumper-Gehäuse im Käfig-Look. Am nächsten Freitag, zum nächsten Open-Lab suchte ich das Lab wieder auf, um mich in den 3D-Druck zu stürzen. Nach ein wenig Beihilfe durch die anwesenden Lab-BesucherInnen und MitarbeiterInnen begann der Bumper-Gehäuse-Druck. Dieser funktionierte auch zu vollster Zufriedenheit und passt haargenau.

Nun bin ich mit meinen Gedanken um das nächste Projekt im Fab Lab Siegen beschäftigt.

3D-Modelle zum Nachmachen und weiterentwickeln

Die 3D-Modelle für die Pi-Cases gibt es auch zum Download:

Fab:UNIVERSE-Workshop im Fab Lab Siegen

2017 riefen die Kolleg*innen der TH Wildau und dem dortigen ViNN:Lab zum Fab:UNIverse-Workshop auf, der einen wichtigen Startpunkt für mehr Vernetzung von Hochschul-Labs setzte. Ausgehend vom BMBF-Projekt FAB101, das sich spezifisch mit der Rolle von Fab Labs in der deutschen Hochschullandschaft befasst, können wir nun auf das Konzept aufbauen und werden den Fab:UNIverse-Workshop 2018 am 19.10.2018 im Fab Lab der Uni Siegen veranstalten.

Mehr Infos: http://fab101.de/fabuniverse/

Angesprochen sind hauptsächlich Hochschul-Fab-Labs und AkteurInnen aus ähnlichen *spaces an und in Kooperation mit Hochschulen. Wen wir bei unserer Einladung vergessen haben darf sich gerne bei uns melden!

3D-Druck im Studium

Möchtet ihr im Studium mehr über 3D-Druck lernen und selbst Projekte mit solchen Technologien umsetzen? Wir freuen uns, wieder mit dem Lehrstuhl für Produktentwicklung zusammenarbeiten und dessen Veranstaltung “Fachlabor Additive Fertigung” für einige interdisziplinäre Studierende öffnen zu können. Teile der Veranstaltung werden auch bei uns im Fab Lab stattfinden. Interesse an einer Teilnahme? Schreib uns an!

Kooperationsprojekt FAB101

Wir sind am 1. März 2017 mit unserem Kooperationsprojekt FAB101 in die Startlöcher gegangen, in wir uns mit dem Potenzial digitaler Fabrikationsinfrastrukturen (Fab Labs) für die interdisziplinäre Hochschullehre der Zukunft beschäftigen werden. Wir freuen uns sehr über die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und natürlich auf die Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen, der Universität Bremen und der Folkwang Universität.

Über das Projekt

Im Projekt sollen empirische Studien zum Stand der Wissenschaft und Praxis zu Fab Labs in der Hochschullehre durchgeführt werden, die anschließend in exemplarische Konzepte und Formate für verschiedenste Studiengänge überführt werden können. Die Projektpartner arbeiten hierbei sowohl standortbezogen, als auch hochschulübergreifend. Das Erarbeiten von Standards, Empfehlungen und Erfahrungswissen zur Organisation und Governance von Fab Labs als breit zugängliche, neuartige Infrastruktur an Hochschulen hat ebenfalls hohe Priorität.

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Ausschnitt Projektposter FAB101

Die Projektpartner

Die RWTH hat im Jahre 2009 das deutschlandweit erste Fab Lab gegründet. Ihr Schwerpunkt liegt in der Mensch-Technik-Interaktion. Prof. Dr. Jan Borchers von der Media Computing Group ist Ansprechpartner dieses Standortes.

Die Universität in Bremen legt ihren Fokus auf Didaktik und wird in diesem Projekt von Prof. Dr. Heidi Schelhowe, Leiterin der Arbeitsgruppe dimeb, repräsentiert.

Die Folkwang Universität, vertreten durch Prof. Stefan Neudecker (Leiter der Professur “Design by Technology”) bereichert uns mit ihrer Erfahrung mit werkstattbasierter Lehre aus der Perspektive von Kunsthochschulen.

Unsere Universität in Siegen sieht ihre Stärken in der Kooperationsforschung. Prof. Dr. Volkmar Pipek vom Lehrstuhl Computerunterstützte Gruppenarbeit und Soziale Medien leitet den Verbund.

Da an allen vier Standorten bestehende Fab Labs zur Verfügung stehen, die jeweiligen Schwerpunkte der beteiligten Forschungsgruppe aber variieren, wird in einem vergleichbaren und dennoch breit aufgestellten Verbund praxisnah geforscht.

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“Garbage · Environment · Design” – mit Kunst gegen Wegwerfen

Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Garbage · Environment · Design“ reisten Sarah und Marios, zwei unserer Studierenden, vergangenes Jahr im September nach Palästina. Das zweiwöchige Projekt, das vom Goethe-Institut in Ramallah organisiert wurde, sollte der dort herrschenden Wegwerfkultur im öffentlichen Raum aus Europa entgegenwirken und eine Brücke zwischen Konsum und Kunst bilden. Dazu sollten Ansätze des “Upcycling” genutzt werden, die aus Altem wieder Neues machen.

Jeweils zwei Studierende aus Deutschland, Frankreich und Palästina waren an dem interkulturellen Projekt beteiligt und haben in einem Workshop die Ausstellung entworfen und passende Exponate gebaut. Im Rahmen des zehntägigen Aufenthalts vor Ort sollten durch Upcycling kollaborativ Prototypen aus Alltagsgegenständen hergestellt werden, um auf alltägliche Umweltprobleme aufmerksam zu machen. Hierbei profitierte das Projekt vom Input von anderen palästinensischen und internationalen ExpertInnen aus den Bereichen Design, Kunst, Erziehung und Architektur.

Das Material wie Paletten, Yton Steine und Plastik Flaschen wurden direkt von der Straße aufgelesen und waren nur ein Teil unzähliger genutzter Ressourcen.
Ein Beispiel für die effektive Materialnutzung sind die hängenden Gärten bestehend aus zwei grünen Flaschenwänden mit Minze bepflanzt, die zur Begrüßung der Ausstellungsbesucher am Haupteingang des Goethe Instituts aufgebaut wurden. Die Ergebnisse wurden im deutsch-französischen Kulturraum zur interkulturellen Diskussion und für Experimente ausgestellt.


Zusätzlich fand während des Besuches der Studierenden in Palästina der Aktionstag „Kunst und Konsum“ statt, bei dem die Bewohner aktiv und gemeinsam ein Stück Land von Müll und Unrat befreien sollten.

Ziel des Projektes war es, Bürgerrechte, aber vor allem auch Bürgerpflichten zu vermitteln und speziell Jugendliche vor Ort zu mobilisieren, zivilgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Das Projekt wurde unter anderem in Kooperation mit Vecbox, dem ersten palästinensischen Makerspace durchgeführt, die die lokale Expertise mitbrachten.

Sarah und Marios konnten bereits auf Erfahrungen im Westjordanland, die sie im April letzten Jahres im Rahmen des Kooperations- und Austauschprojektes Yallah vor Ort sowie durch das Projekt come_IN sammeln konnten, zurückgreifen.

Cytrill – Spielecontroller made in Siegen

Das Hackspace Siegen hat einen Einplatinencomputer für den Spiel-, Bildungs- und Experimentaleinsatz entwickelt, der das gemeinsame Spielen von über 32 Personen auf einem Bildschirm gleichzeitig ermöglicht – ein gemeinschaftliches Projekt für das unter anderem auch unser Fab Lab genutzt wurde. Von der Hardware bis hin zu den Spielen ist bei Cytrill alles open source verfügbar.

Rund ein ganzes Jahr dauerte es bis die Mitglieder vom HaSi den ersten fertigen Controller in der Hand halten konnten. Die Idee dafür war da, doch in Bezug auf die Umsetzung wurde viel überlegt: wie soll der Spielecontroller am Ende aussehen? Welches Design ist für die Nutzung das Beste? Am Ende entstand ein kleiner, bunter Einplatinencomputer, der vom Aussehen her an bekannte Controller anknüpft. Auffällig sind neben den vielen Knöpfen die minimalistischen, verschiedenfarbigen Griffschalen, die an die Seiten der Platine gesteckt werden. Eben diese Griffschalen wurden bei uns im Fab Lab aus PLA mit dem Luzlbot gedruckt.

In Zukunft soll jedoch auch eine zweite Variante entstehen, bei der statt den Griffschalen zwei transparente Plexiglasplatten genutzt werden, so dass die komplette Platine zu sehen bleibt. Diese Variante soll als Prototyp bei uns im Lab mit Hilfe des Lasercutters gefertigt werden.

Inzwischen gibt es bereits mehrere Spiele für den Controller: „Wallhack“ (ähnlich wie Achtung die Kurve), „RaceCtrl” (ein Autorennen), „Crystal Mett“ (ein Spiel, in dem man in Teams Kristallschweine sammeln muss) und „SpaceCtrl“ (ein Raumschiff-Spiel). Alle Spiele wurden in der Open Source Spiele-Engine Godot erstellt und so besteht ein GD-Skript, mit dem die LEDs auf den Controllern angesteuert werden, die den Status oder die aktuelle Spielfarbe zeigen. Die Platine selbst basiert auf einem ESP8266-Funkmodul und verfügt auf jeder Seite über vier kleine Joysticks. Die Controller haben eine USB-Schnittstelle, diese dient jedoch nur zum Laden und programmieren. Zur Verbindung mit Spielen und Anwendungen wird Wlan genutzt, die Stromversorgung erfolgt über einen Akku. Verziert sind die Platinen mit einem Octopus und goldenen Details.

Cytrill und einzelne Spiele konnten bereits öffentlich getestet werden, zum Beispiel (wie oben zu sehen) am Tag der Technik oder der Siegener Kunst- und Kulturwoche Art!Si und bereiteten sowohl Klein als auch Groß Freude. Die kleinen bunten Controller erregten Aufmerksamkeit und kaum ausprobiert, konnten sich einige kaum noch von ihnen lösen. Menschen, die sich vorher nicht kannten, spielten gegen- und miteinander mit sichtlich viel Spaß, ganz zur Freude der Entwickler.

Cytrill soll zukünftig in Workshops bei uns im Fab Lab, aber auch für die Hochschullehre eingesetzt werden. Die Erfindung zeigt, dass die Hacker- und Makerkultur bereits im Siegerland angekommen ist und dass sie gemeinsam entwickelte, innovative Projekte ermöglicht.

Cytrill im Detail:

Zeit.Raum – Siegen erlebbar machen

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt ZEIT.RAUM Siegen wird in enger Zusammenarbeit mit BürgerInnen durchgeführt und zielt darauf ab, die Stadt Siegen in ihrem Raum und ihrer Geschichte mit innovativer Technik gemeinschaftlich erleb- und begreifbar zu machen. ZEIT.RAUM soll die Zusammenarbeit und den Austausch von allen Interessierten – von WissenschaftlerInnen, Studierenden bis hin zu SchülerInnen und Hobby-HistorikerInnen – über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Stadt ermöglichen. So werden neue Formen der Wissensgenerierung und -vermittlung eröffnet.

Das Projekt besteht aus zwei miteinander verknüpften Bestandteilen: Einem anfassbaren Stadtmodell in Tischgröße zur Interaktion, das mit Hilfe verschiedener digitaler Fabrikationsverfahren hergestellt und im Siegerlandmuseum ausgestellt wird. Durch verbaute Sensoren wird eine interaktiv erfahrbare Auseinandersetzung mit der Stadt und ihrer Geschichte ermöglicht, die auch individuelle Erinnerungen anregt. Zweites zentrales Element des Projektes ist das Stadtwiki, eine gemeinschaftliche, digitale Plattform zur Siegener Stadtgeschichte, die von und für BürgerInnen entwickelt wird. Neben der Sammlung von Informationen dient sie auch als Forum, um über die Bedeutung der gesammelten Daten zu diskutieren. Es werden Erinnerungsorte identifiziert, aufbereitet und reflektiert. Alle Bestandteile des Projektes sollen so gestaltet werden, so dass sie für alle Interessierten gut zugänglich, verständlich und leicht bedienbar sind.

Einer der ersten Probedrucke für das interaktive Stadtmodell

Die Rolle des Fab Labs

Auch wir vom Fab Lab sind auf mehreren Ebenen an dem Projekt beteiligt, insbesondere an der Erstellung des interaktiven Stadtmodells. Als Datenbasis dafür dient das bereits bestehende, virtuelle 3D-Modell der Stadt Siegen, das von Prof. Jarosch erstellt wurde. Die Topografie wird im Lab aus einer großen Platte gefräst. Welches Material sich dafür am Besten eignet wird aktuell getestet. Die darauf installierte originalgetreue Bebauung der Stadt hingegen wird mit den 3D-Druckern im Fab Lab gedruckt. Auch die später im Stadtmodell zu verbauende, möglichst nutzerfreundliche Sensorik wird bei uns im Lab entwickelt. In das Projekt sind auch mehrere Studierende involviert, die im Rahmen von Qualifikationsarbeiten an einzelnen Bestandteilen des Projektes arbeiten.

Papierprototyp für das Interaktionskonzept des Stadtmodells

Aktuelle Entwicklungen

Aktuell arbeiten Studierende an der Gestaltung des Interaktionskonzeptes und haben dafür unter anderem einen Papierprototypen des Stadtmodells erstellt. Ebenso konnten bereits erste Protoypen für das Stadtmodell erfolgreich gedruckt und die Sensorik ausführlich getestet werden. Um später die Sensorik direkt in das Stadtmodell verbauen zu können, wird das Modell mit leitfähigem Filament gedruckt. Im Rahmen dieser ersten technischen Arbeiten wurde auch ein EntwicklerInnenboard (siehe Titelbild) erstellt, auf dem Folgendes verbaut wurde: Arduino-Leonardo, Raspberry Pi 2, CAP1188-Breakout, 3D-gedruckter Touchsensor und 3D-gedruckte Matrix.

Test der Sensorik, die in dem Stadtmodell verbaut werden soll

Während eines unser letzten Projekttreffen wurde bereits ein erstes Modell der Nikolaikirche – das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt Siegen – gedruckt. Ganze drei Stunden benötigte unser Ultimaker für das Modell im Maßstab 1:9000.
Hier seht ihr das Ergebnis:

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Weitere Projektpartner

Neben dem Fab Lab sind zudem seitens der Universität Siegen der Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte unter Leitung von Prof. Dr. Bärbel Kuhn, der Lehrstuhl für Praktische Geodäsie und Geoinformation unter Leitung von Prof. Dr. Monika Jarosch und der Lehrstuhl für Computerunterstützte Gruppenarbeit, Leitung Prof. Dr. Volkmar Pipek involviert. Die Realisierung wurde möglich durch die Unterstützung der Universität sowie der Freunde und Förderer des Siegerlandmuseums, die in dem Projekt eine Investion in die Zukunft des Siegerlandmuseums sehen. Das Siegerlandmuseum soll durch ZEIT.RAUM in seiner Rolle für kooperative und inklusive historische Arbeit in der und mit der Region gestärkt werden.

Über weitere Entwicklungen des Projektes im und rund um das Lab halten wir euch natürlich auf dem Laufenden.